Praxis: Gehirngerecht lernen und lehren – Kurs Teil 2

Im zweiten Teil des Kurses „Gehirngerecht lernen und lehren“ geht es um die Anwendung der Gehirnforschung im Lernalltag. Hier werden eine Fülle von Lernmethoden angeboten, die Lehrern und Schülern helfen sollen ihre Lernstrategien zu optimieren. Bei der Auswahl der Methoden wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass sie mit den neuesten Ergebnissen der Hirnforschung kompatibel sind.

Vorwort

Lernen geschieht schon im Baby- und Kleinkindalter. Bereits im Mutterleib findet eine Entwicklung geistiger Funktionen statt. Lernen macht Freude, im Kindergarten und im Grundschulalter. Oft ändert sich die Freude am Lernen leider grundlegend, und zwar mit zunehmender Schuldauer. Das ist bedauerlich. Denn gerade positive Gefühle sind für das Lernen wichtig.

Deshalb beginnt unsere Kursreihe mit dem „Wissen über das Gehirn“ (siehe „Theorie: Gehirngerecht lernen und lehren – Teil 1). Unser Ziel ist „mit unserem Gehirn zu lernen“. Einige der modernen Lernmethoden basieren auf der Gehirnhälften-Forschung. Leider werden Erkenntnisse daraus oft falsch interpretiert. Daher haben wir uns im ersten Teil darum bemüht, manche „Mythen über das Gehirn“ richtigzustellen.

In dem vor Ihnen liegenden zweiten Teil dieser Kursreihe werden wir in die Praxis gehen und verschiedene Lerntechniken vorstellen, die mit der modernen Gehirnforschung kompatibel sind. Hier werden Sie viele Lerntechniken finden, die Sie in der Praxis testen können. Damit bekommen Sie wertvolle Werkzeuge an die Hand, die Ihnen helfen sollen, Ihr persönliches Lernverhalten zu optimieren.

Damit Sie möglichst viel aus diesem Kurs für sich herausholen können, sollten Sie sich darüber klar sein, was Sie hier erfahren wollen. Dazu kann es sinnvoll sein, sich folgende Fragen stellen:

  • Warum haben Sie sich entschieden an diesem Kurs teilzunehmen?
  • Was hat Ihr Interesse geweckt?
  • Was erwarten Sie von diesem Kurs?

Wenn Sie Ihre Antworten zu diesen Fragen kennen, haben Sie die optimalen Voraussetzungen – und Motivation – aus diesem Kurs etwas mitzunehmen, das Sie für Ihr eigenes Lernen und Lehren praktisch anwenden können.

Bevor Sie beginnen: Lesen Sie bitte das Inhaltsverzeichnis. Sie erfahren dabei, worum es in diesem Kurs geht.

Wir wünschen Ihnen viel Freude und Erfolg in der Praxis des Lernens und Lehrens.

Vom Sinn und Unsinn des Lernens

Die Lust am Lernen – die Freude, Neues zu entdecken – ist den Menschen angeboren. Verloren geht diese Lust am Lernen und Entdecken meist zu Beginn der „Schulkarriere“. Wie können wir die Lust am Entdecken wieder finden? Sicher nicht durch stures Lernen von Begriffen und Definitionen. Denn dadurch lernen wir die Bedeutung der Dinge nicht kennen. Wir lernen zwar, dass es diesen Begriff gibt, aber sein Sinn bleibt uns verborgen.

Gehirngerecht lernen und Lehren Praxis - Lust am Lernen

Leider gibt es immer noch Lehrbücher, die auf recht ungeschickte Weise „Wissen vermitteln“, so z.B. ein Lehrbuch für Naturwissenschaften der Grundschule. Es knüpft an einer völlig falschen Vorstellung an, was Lernen ist. Auf einem Bild ist ein Hund zu sehen, ein aufziehbarer Spielzeughund. Eine Hand nähert sich dem Schlüssel und jetzt bewegt sich der Hund. Unter dem Bild steht die Frage: „Was setzt den Hund in Bewegung?“

Dann kommt ein Bild mit einem Auto und wieder wird die Frage gestellt: „Was setzt das Auto in Bewegung?“ Dann folgt die Antwort: „Energie setzt es in Bewegung“. Die Verfasser des Lehrbuchs versuchen, das Konzept der Energie zu erklären. Energie ist jedoch ein komplexer Begriff. Es ist sehr schwer, ihn richtig zu verwenden. Mit oben beschriebener Antwort haben die Schüler zwar einen Begriff, ansonsten jedoch gar nichts gelernt.

Fragen Sie z.B. ein Kind: „Was setzt den Spielzeughund in Bewegung?“ Dann soll es darüber nachdenken und die Lösung selbst entdecken. Das Kind soll das Spielzeug auseinander nehmen. Es soll sich ansehen, wie es funktioniert, wie raffiniert das Getriebe und die Rädchen konstruiert sind. So entdeckt das Kind die Freude am Lernen und Entdecken. Es findet die Antwort auf die Frage: „Was setzt den Hund in Bewegung?“ Das Kind entdeckt, dass man die Feder aufziehen muss, diese entrollt sich und setzt den Spielzeughund in Bewegung.

Es ist einfach schlecht, zu Beginn eines neuen „Stoffes“ nur einen Begriff, eine Definition oder eine Formel zu lernen. Es genügt z.B. folgende Antwort nicht: „Schwerkraft lässt den Apfel vom Baum fallen“ – oder „Schuhsohlen nutzen sich aufgrund der Reibung ab“. Sohlen nutzen sich ab, weil sie auf dem Gehsteig scheuern und weil Unebenheiten auf dem Gehsteig kleine Stücke davon losreißen. Einfach zu sagen: „Die Reibung ist dafür verantwortlich“, hat mit Lernen nichts zu tun.

Was bedeutet das nun für das Lernen?

Übersetzen Sie alle Begriffe, so gut Sie können, in die Wirklichkeit. Versuchen Sie herauszubekommen, was sie in Wirklichkeit bedeuten, was sie wirklich aussagen. Es gibt eine Möglichkeit zu testen, ob man eine Idee (ein Konzept) verstanden hat oder aber nur Begriffe oder Definitionen „gelernt“ hat. Versuchen Sie, ohne das neue Wort zu gebrauchen (das Sie eben „gelernt“ haben), eine Antwort auf die Frage zu geben – den Sinn zu erklären. Erklären Sie z.B. ohne das Wort „Energie“ zu verwenden, was Sie über die Bewegung des Hundes wissen.

Das Wesentliche auf einen Blick

  • Stures Lernen von Begriffen und Definitionen ist kein Lernen. Wir lernen dadurch nicht die Bedeutung der Dinge kennen. Der Sinn bleibt uns verborgen.
  • Übersetzen Sie alle Begriffe, so gut Sie können, in die Wirklichkeit. Versuchen Sie heraus zu bekommen, was sie in Wirklichkeit bedeuten, was sie wirklich aussagen.
  • Testen Sie, ob Sie eine Idee (ein Konzept) verstanden haben. Versuchen Sie, ohne das neue Wort zu gebrauchen (das Sie „gelernt“ haben), eine Antwort auf die Frage zu geben – den Sinn zu erklären.

Beziehung zwischen Lehrer und Schüler

Es gibt jede Menge Aussagen über Methoden, Theorien und Fakten des Lehrens. Es wurden Experimente angestellt und Statistiken angelegt. Dennoch erspart man sich damit nicht, sie selbst auszuprobieren, um dann zu sehen, ob sie funktionieren.

Beziehung zwischen Lehrer und Schüler - gehirngerecht lernen

Stellen Sie sich eine junge Lehrerin vor. Sie sieht, wie Schülern Mathematik beigebracht wird. Daraufhin erklärt sie: „Ich habe eine bessere Idee“.

Sie ist von Ihrer Idee überzeugt und begeistert. Sie weiß genau, was sie will und probiert mit einer Gruppe von Kindern vieles aus.

Auch die Kinder sind aufgeregt, denn sie wissen, da ist etwas Neues. Sie lernen, haben dazu eigene Ideen, finden noch neue Möglichkeiten und ergänzen damit die Methode.

Die Kinder lernen sehr, sehr gut. Sie lernen viel besser als andere Kinder. Nach einigen Wochen erfahren auch Kollegen davon, kurze Zeit später der Direktor der Schule. Also macht man einen Test. Nun steht als Tatsache fest, dass man den Mathematik-Unterricht mit dieser Methode verbessern kann.

Lehrer von anderen Schulen werden eingeladen. Sie beobachten den Unterricht, machen eifrig Notizen und noch einmal werden die Schüler getestet. Wieder steht fest, die Kinder lernen sehr, sehr gut.

Auch diese Kollegen sind nun von der neuen Methode überzeugt. Jetzt setzen diese Lehrer die „neue Methode“ auch bei ihren Schülern ein und ein Großteil davon ist enttäuscht. Die „neue Methode“ funktioniert bei ihnen nicht.

Was ist passiert?

Diese Lehrer haben das Wesentliche übersehen. Das Wesentliche bei dieser Methode war, dass diese spezielle Lehrerin sich die Methode ausgedacht und mit den Kindern weiterentwickelte.

Die Lehrerin war davon begeistert und steckte die Kinder mit ihrer Begeisterung an. Die Lehrerin und die Kinder – auf die Beziehung kommt es an.

Was heißt Motivation?

Menschen sind von Natur aus motiviert. Das Gehirn ist ein System, das äußerst effektiv arbeitet. Je stärker die Motivation, desto leichter fällt uns das Lernen und desto besser wird das Lernergebnis ausfallen. Stellt sich der Erfolg des Lernens ein, wird unser Gefühl in seinem JA weiter bestärkt; wir lernen mit Lust. Der Lernprozess trägt sich von allein!

Freude und Motivation beim Lernen

Man kann sich Motivation wie eine Kette von Ereignissen denken, die sich selbst verstärkt. Sie beginnt mit einem Lernerfolg, der unseren Optimismus steigert. Mit einem so gestärkten Selbstbewusstsein entwickeln wir Zuversicht, auch künftigen Anforderungen gerecht werden zu können.

Damit sind wir offen uns für die Sache zu begeistern. Genau diese Begeisterung verstärkt unser Interesse für das Thema und macht den nächsten Lernerfolg wahrscheinlicher. Damit wird die Aufwärtsspirale der Motivation im positiven Sinne geschlossen, d.h. die Kette beginnt wieder von vorne.

Wie kommt es zu Motivationsproblemen?

Wir kommen alle mit einem gesunden Selbstbewusstsein auf die Welt. Im Laufe unserer Kindheit hörten oft von Eltern, KindergärtnerInnen, LehrerInnen Sätze wie: „Lass das, du kannst das nicht“; „Ah, bist du heute wieder mühsam … “; „So wirst du es nie zu etwas bringen … “, „Wenn du lieb bist, dann …“

Wir sollten die Erwachsenen nicht verurteilen, denn insgeheim wissen wir, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben.

Wie leicht zu erkennen ist, wird hier das Gegenteil – also die Abwärtsspirale bei Demotivierung – beschrieben. Sie beginnt mit einem Misserfolg, der zu einer pessimistischen Einstellung führt, ob wir der Sache oder dem Problem überhaupt gewachsen sind. Solche Selbstzweifel schwächen unser Selbstvertrauen und führen zu einer Schwächung der Persönlichkeit. Tritt ein ähnliches Problem wieder auf, beginnen wir also schon mit einer gehörigen Portion Misstrauen in uns selbst und sind demotiviert das Problem zu lösen. Der Kreis ist wieder geschlossen und die Abwärtsspirale zieht uns weiter in den Keller.

Heute können Sie beginnen, anders damit umzugehen. Es liegt in Ihrer Macht, das Selbstbewusstsein zu stärken und mit negativen Sprüchen (auch der inneren Stimme) umgehen zu lernen. Wenn Sie sich an dieser Stelle fragen, wie es mit Ihrer eigenen Motivation aussieht, machen Sie doch einfach folgenden Test.

Motivationstest

Drucken Sie sich am besten diese Lektion aus und kreuzen Sie die Antwort an, die am ehesten auf Sie zutrifft.

JaNein
1. Ohne Druck von außen geht bei mir gar nichts
2. Ich lerne immer erst kurz vor Prüfungen
3. Lernhilfen und Zusatzinformationen zu besorgen, bringt nichts und ist viel zu mühsam.
4. Nach schlechten Ergebnissen bin ich total blockiert.
5. Nach guten Noten mache ich erst einmal eine lange Lernpause.
6. Ich fühle mich unwohl und habe keine Freude am Lernen
7. Ich bin überfordert
8. Ich bin unterfordert
9. Lernen bringt nichts – ich habe sowieso keinen Erfolg
10. Ich weiß nicht wie und womit ich anfangen soll

Anmerkung zur Auswertung des Motivationstests: Je mehr Punkte Sie mit „Ja“ beantwortet haben, desto eher sollten Sie sich mit Ihrer Motivation befassen.

Das AHA-Erlebnis als Auslöser der Motivation

Was ist ein AHA-Erlebnis? Dieses Erlebnis hat mit entdeckendem Lernen zu tun. Eine plötzliche Einsicht in einem undurchsichtigen Zusammenhang ist im Denkverlauf ein lustbetontes Erlebnis. Auch Sie haben bestimmt persönliche AHA-Erlebnisse. An welche können Sie sich erinnern?

Motivation zum Lernen fördern

Wie können Sie Ihre Lernmotivation fördern?

1. Motivation durch Interesse

Das Interesse gehört zu den wichtigsten Beweggründen des Lernens. Natürlich haben Sie nicht für jedes Fachgebiet gleich großes Interesse. Es gibt jedoch Maßnahmen, diese zu wecken und zu stärken.

Motivation und Interesse zum Lernen fördern

Haben Sie Interesse an Musik, so könnten Sie sich durch das Übersetzen der Texte motivieren, eine Fremdsprache zu lernen. Durch aktives Zuhören, Mitdenken und Mitreden wird oft das Interesse geweckt.

2. Motivation durch Neugierde

Der Fortschritt auf verschiedenen Gebieten und die menschliche Neugierde hängen eng zusammen. Auch für das Lernen gilt, neugierig zu sein und den Dingen auf den Grund zu gehen. Stellen Sie „Warum?“ – Fragen.

3. Motivation durch Belohnung

Verschaffen Sie sich einen zusätzlichen Lernantrieb, indem Sie sich nach Erreichen eines gesteckten Zieles etwas Gutes tun. Z.B. „Wenn ich dieses Kapitel fertig habe, gehe ich mit Freunden ins Kino.“ Gönnen Sie sich diese Belohnung nur, wenn Sie Ihr geplantes Pensum geschafft haben.

4. Motivation durch Lächeln

Haben Sie einen „Durchhänger“ so versuchen Sie ein Lächeln, auch, wenn Sie nur eine Grimasse zustande bringen. Wichtig ist das Anheben der Mundwinkel. Durch das Aktivieren der Nerven in der Wange wird dem Gehirn signalisiert: „Es wird gelächelt“. Sofort werden Glückshormone ausgeschieden, die die Kampfhormone „fressen“.

5. Vermeiden Sie Motivationskonflikte

Planen Sie Ihr Lernen zeitlich so, dass keine verlockenden Ablenkungen Sie hindern, Ihr Lernziel zu erreichen, wie z.B. ein Fußballspiel oder die Geburtstagsparty von Freunden etc.

So sind Sie für die nächsten Herausforderungen motiviert:

  • Setzen Sie Prioritäten
    Sortieren Sie die kommenden Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit.
  • Strukturieren Sie den Tag
    Sind die Prioritäten gesetzt, ist der Tag sinnvoll eingeteilt.
    Sie erhöhen durch die erledigten Aufgaben Ihre Zufriedenheit. Ihr Selbstbewusstsein ist gestärkt.
  • Was ist Ihnen heute wichtig?
    Stellen Sie sich diese Frage mindestens 1 x pro Tag.
  • Orientieren Sie sich an der Zielvorstellung
    Entscheiden Sie sich für eine zu erledigenden Aufgabe an der Zielvorstellung und nicht nach Lust und Unlust.
  • Beobachten Sie sich selbst
    Wann und wieso weichen Sie anstrengenden und unangenehmen Arbeiten aus?
    Wie leicht lassen Sie sich ablenken?
    Was können Sie daran ändern?

Wenn Sie lernen sich auf diese Art selbst zu beobachten und Antworten auf die genannten Fragen zu finden, werden Sie sehen, dass es Ihnen immer leichter fallen wird, motiviert bei der Sache zu bleiben.

Lernen mit Geschichten

Nicht nur trockene Fakten sind für das Lernen wichtig. Erzählen Sie Geschichten und stellen Sie so einzelne Fakten in einen größeren Zusammenhang.

Im Fernsehen erfreuen sich Sendungen zum Thema Wissen steigender Beliebtheit. Das Publikum verlangt immer stärker nach Themen, die auf spannende und unterhaltsame Art präsentiert werden.

Lernen und Lehren durch Geschichten

Die wachsende Beliebtheit solcher Sendungen lässt den Rückschluss auf mangelnde und auch langweilige Wissensvermittlung der Schulen zu. Offenbar traut man den Moderatoren dieser Sendungen eher zu, einen komplizierten Zusammenhang zu erklären als den Lehrern.

Wir lernen nur das wirklich gut, was für uns interessant ist. Einzelfakten sind für uns nur wenig attraktiv und stures Auswendiglernen führt in eine Sackgasse. Denn wir können das Gelernte nicht mit eigenen Erfahrungen verbinden. Fakten sollen in einem Zusammenhang stehen, der uns bewegt und interessiert.

Wie können wir nun Fakten interessant gestalten?

Mit etwas Fantasie können wir auch „trockenes“ Faktenwissen attraktiv präsentieren. Wir müssen unser Gehirn immer wieder auf andere Weise anregen, durch veränderte Aufgaben und interessante Herangehensweisen, die zu einer vielfältigeren Auseinandersetzung mit Themen führen. Unter anderem gelingt das mit Geschichten, denn in Geschichten erfahren wir nicht nur Fakten, sondern stellen sie in Zusammenhänge – wir erfahren Sinn und Lebendigkeit.

Spannende Geschichten verbinden Wörter und Bilder, sie faszinieren Zuhörer und bleiben lange im Gedächtnis.

Fehler sind wichtig

Haben Sie sich heute schon geirrt? Haben Sie eine falsche Entscheidung getroffen, einen Fehler gemacht?

Lernen durch Fehler

Beim Wort Fehler fällt Ihnen im ersten Moment vielleicht die Schule ein. Ihre Aufgaben waren mit Rotstift korrigiert. Es gab schwere und leichte Fehler und möglicherweise mussten Sie dieselbe Aufgabe noch einmal korrigiert abgeben. Wahrscheinlich verbinden Sie mit den Wörtern „Fehler“ und „Korrektur“ unangenehme Gefühle. So hat uns der Umgang mit Fehlern nachhaltig geprägt.

Wir haben uns mehr oder weniger angewöhnt, unsere Fehler zu verdecken. Wir täuschen Wissen vor, wo keines ist. Wir sind bestrebt Fehler zu verbergen und zu vermeiden. Gerade dadurch blockieren wir das Lernen.

Als Kinder kannten wir noch keine Fehler. Wir probierten aus und dabei lernten wir. Würden wir schon als Kinder versuchen, keine Fehler zu machen – wir würden überhaupt nichts lernen. Für unsere Entwicklung scheint das sinnvoll zu sein. Denn Neugierde, Wissensdurst und unser kindlicher Forscherdrang wurden nicht eingeengt. Wir lernten in erster Linie durch unsere Erfahrungen in der Welt.

Ein Thema zu verstehen ist wichtiger, als das Bestreben, keine Fehler zu machen. In jedem Fachgebiet, bei allem, was wir lernen, gibt es die Reihenfolge: Wissen, Verstehen, Anwenden.

Wissen bezeichnet die Fakten und Definitionen, also die Dinge, die man nachlesen und auswendig lernen kann. Danach kommt das Verständnis. Man versteht Zusammenhänge und weiß, warum sie so sind, wie sie sind. Erst wenn man etwas verstanden hat, kann man es auch anwenden. Eine neue Lernkultur bedeutet also auch eine neue Fehlerkultur.

Grundlage einer neuen Fehlerkultur ist, dass wir folgendes akzeptieren: Fehler gehören zu jedem Lern- und Entwicklungsprozess. Fehler gehören zum Leben. Es gibt keinen Grund, sie zu verbergen. Viel wichtiger und realistischer, als der Schein von Perfektionismus, sind die Fähigkeit und Bereitschaft, sich selbst und anderen gegenüber eigene Fehler einzugestehen.

Ansonsten haben wir später, auch im Berufsleben, ein gestörtes Verhältnis zu Fehlern. Dann sind Fehler in Unternehmen nicht erlaubt. Fehler werden vertuscht oder verschwiegen. Es werden Sündenböcke gesucht, die man bestraft. Das hat fatale Folgen für die Wirtschaft, denn die Angst vor Fehlern, sogar vor noch gar nicht gemachten Fehlern, lähmt und führt zu Stillstand.

„Try and error“ sind „Geheimrezepte“ erfolgreicher Unternehmenskultur. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Verbesserungen nur möglich sind, wenn auf dem Weg dorthin auch Rückschläge erlaubt sind. Fehlerfreudigkeit bedeutet jedoch nicht Fehlerhäufigkeit. Also – haben Sie keine Angst davor, Fehler zu machen, denn Fehler gehören zum Lernen.

Lernkartei und Mind-Maps

Wie können Sie sich Zeit und Nerven sparen? In Büchereien und im Internet finden Sie eine Menge an Büchern und Tipps zu diesem Thema. Hier bekommen Sie eine kleine Auswahl, die sich in der Praxis bewährt hat. Probieren sie die Vorschläge aus und lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf. Entscheiden Sie, welche der hier angebotenen Techniken Ihren Lernvorlieben entsprechen. Vielleicht (er)finden Sie sogar Ihre ganz persönliche Technik?

Die Lernkartei

Die Lernkartei unterstützt Sie bei der Wiederholung und Vertiefung von Wissensinhalten. Mit der Lernkartei behalten Sie den Überblick über Inhalte, die besonders viel Training erfordern.

Lernhilfe - Lernkartei

Das System basiert auf den Erkenntnissen der Informationsabspeicherung des menschlichen Gehirns. Wissen wird immer nur in kleinen, „gut verdaulichen“ Portionen gelernt. Besonderen Wert wird hier auf Wiederholung gelegt. Sind die Karteikarten im 5. Fach sicher abgelegt, so sind sie auch im Langzeitgedächtnis gespeichert.

Die Lerntechnik mit einer Lernkartei zu arbeiten, wurde bereits in dem Kurs – „Lerntechniken anwenden – Kurs „Lernen lernen“ Teil 4 – ausführlich beschrieben. Daher sei hier nur der Link angegeben: „Wie lerne ich mit einer Lernkartei?“ (Punkt 9).

Lernen mit Mind-Maps

Was ist das? Mind-Maps sind „Gedächtnislandkarten“ oder „Gedächtnispläne“. Sie sind eine einfache Art, Informationen in Ihrem Gehirn zu speichern bzw. aus Ihrem Gehirn wieder abzurufen. Hier zeigen wir, wie Sie eine Mindmap selber machen.

Die Struktur einer Mind-Map erinnert an einen Stadtplan. Die Mitte entspricht dem Stadtzentrum, es stellt das Hauptthema dar. Die wegführenden „Hauptstraßen“ sind die Hauptelemente des Themas bzw. die Oberbegriffe. Die davon abzweigenden kleineren Straßen entsprechen sekundären Gedanken bzw. Unterthemen. Bilder und grafische Elemente stellen die „Sehenswürdigkeiten“, Ihre besonders interessanten Gedanken, dar.

Was ist das Besondere an Mind-Maps?

Mind-Maps sind eine gehirngerechte Methode und fördern das ganzheitliche Denken. Sie arbeiten damit klar und strukturiert. Durch das bildhafte Darstellen fördern Sie Ihre Kreativität. Mit dieser einfachen Methode können Sie die täglichen Informationen aufnehmen, verarbeiten, speichern, abrufen, verknüpfen und damit das Chaos besiegen. Erfinder der Mind-Map-Methode ist Tony Buzan.

Was brauchen Sie für eine Mind-Map?

1. ein unbeschriebenes, unliniertes Papier (A3 bzw. A4)
2. Farbstifte, Filzstifte, Fineliner
3. Ihr Gehirn
4. Ihre Fantasie.

Eine Beispielskizze für eine Mind-Map sehen Sie hier:

Lernen mit Mindmaps Mind mapping

Die Mind-Map strukturiert das Hauptthema, indem es von den wichtigsten Begriffen (Oberbegriffe) immer mehr in die Details (Unterbegriffe) verzweigt. Diese wiederum lassen sich natürlich wieder in weitere Teilzweige auflösen. In diesem Beispiel haben wir nur aus Platzgründen zwei Ebenen bezeichnet.

Anwendungsbeispiel: Das Thema ist „Mein nächster Urlaub“. Dann könnte ich als 1. Oberbegriff z.B. „Auto“ einsetzen und als Unterbegriffe: „Reifen wechseln, Ölstand kontrollieren, Stadtplan kaufen“ etc. – also alles vermerken, was ich bezüglich meines Autos noch erledigen muss. Nehmen wir als Beispiel für den 2. Oberbegriff „Gepäck“, so könnten dort als Unterbegriffe: „Zahnbürste, Reisetabletten, Kinderspiele, Freeclimbing-Utensilien“ etc. stehen – also alle Gepäckstücke, die ich auf jeden Fall mitnehmen will.

Im Grunde ähnelt eine Mind-Map einem Inhaltsverzeichnis, nur dass die Elemente räumlich angeordnet sind. Damit prägen sie sich dem visuellem Gedächtnis besser ein. Das Anwendungsbeispiel lässt sich natürlich beliebig erweitern, beispielsweise könnte man den Zweig „Freeclimbing Utensilien“ wieder weiter verzweigen und dort alle Utensilien notieren, die man unbedingt zum Klettern braucht.

Mit dieser Methode können Sie sich leicht zu einem Thema einen Überblick verschaffen und auch komplexere Zusammenhänge übersichtlich – über Schlagwörter – darstellen. Wer will, kann hier auch kleine Bildchen oder Zeichnungen einfügen, die ein Thema oder Unterpunkt darstellen sollen. Letztlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Doch das Ziel jeder Mind-Map sollte sein, das Thema auf einen Blick erfassen zu können. Bei der Urlaubsplanung könnte mir die Mind-Map dazu dienen, zu prüfen, ob ich vor der Abfahrt alle wichtigen Vorbereitungen abgeschlossen habe.

Probieren Sie es einfach aus!

Geschichten erfinden – Loci-Technik

Erfinden Sie Geschichten beim Lehren und Lernen

Bei dieser Technik werden aus den zu lernenden Begriffen oder Inhalten eine möglichst verrückte und ausgefallene Geschichte erzählt. Je mehr Bilder Sie sich dabei geistig vorstellen, umso besser können Sie sich später erinnern.

Lerntechnik Loci-Tecknik lernen

Versuchen Sie es anhand dieser Wörterliste: Bild, Berg, Wäscheleine, Haken, Eis, Rock, Pferd, Gefängnis, Bank, Melone, Schatz, Tür, Sonne, Geliebte, Nagel, Schule, Katze, Kind, Schwerkraft, Mathematik.

Solche Wortlisten wären ohne einen Zusammenhang – den die Geschichte erst herstellt – nur sehr schwer zu merken. Bildet man aus den einzelnen Begriffen jedoch eine zusammenhängende Geschichte, so stellt man Relationen oder Zusammenhänge zwischen den Fakten her.

Erst diese Relationen oder Zusammenhänge machen es uns möglich die Geschichte zu visualisieren, sich den Kontext und die Abläufe vor dem geistigen Auge vorzustellen. Wer einen kontinuierlichen Zusammenhang geschaffen hat, kann später auch aus Fragmenten (z.B. durch Erinnerungslücken) leichter wieder den Gesamtzusammenhang rekonstruieren.

Loci–Technik

Diese Technik ist besonders für Listen und Aufzählungen geeignet. Bei der Loci-Technik werden alle wichtigen Begriffe oder Lerninhalte im Geiste an einem bestimmten Ort „aufgehängt“.

lerntechnik Loci-Technik Lernen mit Geschichten

Die Orte können im eigenen Zimmer sein, z.B. der Spiegel, das Waschbecken, das Bett, der Kasten und das Regal. Sie können sich auch auf dem Weg zur Ausbildungsstätte bzw. Arbeit befinden, z.B. Garagentor, Kreuzung, Einkaufszentrum, Unterführung, Autobahnabfahrt und die erste Abzweigung …

Wenn Sie später bei der Prüfung oder Schularbeit sitzen, brauchen Sie sich nur noch einmal an die „Orte“ zu erinnern und schon verbinden Sie die Begriffe oder dort abgelegten Lerninhalte damit.

So funktioniert es:

1. Wählen Sie mindestens 10 fixe Stationen (Zimmer oder Arbeits-, Schulweg…). Später, wenn Sie damit Übung haben, können Sie die Stationen erweitern. Sie müssen sich die Stationen verinnerlichen – gehen Sie sie im Geiste ein paar Mal durch. Vergegenwärtigen Sie sich auch den Rückweg.

2. Die einzelnen Begriffe verbinden Sie nun mit den gewählten Stationen, z.B. Wenn Sie Ihre Garagenausfahrt als ersten Bezugspunkt gewählt haben und sich den Begriff „Neonröhre“ merken wollen, können Sie folgenden Zusammenhang herstellen: „Zum Glück schaltet sich die Neonröhre automatisch aus, wenn ich aus der Garage herausfahre..,“

Schreiben Sie 10 Begriffe auf und wenden Sie diese Technik an. Sie werden die Erfahrung machen, dass Sie alle Begriffe in der richtigen Reihenfolge aufzählen können.

Noch ein kleiner Taschentrick

Er funktioniert ähnlich wie die Loci-Technik. Stecken Sie sich kleine Gegenstände (Heftklammer, Radiergummi, Cent usw.) in die Hosentasche, die Sie mit bestimmten Begriffen oder Lerninhalten verbinden.

Probieren Sie es gleich aus!

Assoziationstechnik

Bei der Assoziationstechnik stellen Sie sich ein Bild zu einem Begriff vor, den Sie lernen wollen. Der Begriff wird also mit einem Bild verknüpft. Anhand der Geschichte (von Tony Buzan), die sich aus der Verknüpfung von mehreren Begriffen ergibt, gelingt es sehr leicht, sich die Begriffe in richtiger Reihenfolge zu merken.

Wie Sie sich die Planeten unseres Sonnensystems merken:

Setzen Sie sich bequem hin und lassen Sie sich diese Geschichte erzählen. Sie sitzen vor Ihrem Schreibtisch oder auf Ihrem Lieblingsstuhl. Eine herrliche Sonne strahlt. Sie müssen die Sonne deutlich vor sich sehen und ihre Hitze fühlen. Bestaunen Sie ihr orangerotes Glühen.

gehirn lernen assoziieren schule

Stellen Sie sich neben der Sonne ein kleines (es handelt sich ja um einen kleinen Planeten) Thermometer vor, das mit diesem flüssigen Metall gefüllt ist, mit dem man die Temperatur misst, dem Quecksilber (Englisch: Mercury = Merkur). Es wird schließlich so heiß, dass das Thermometer zerspringt. Sie sehen, wie über den ganzen Schreibtisch und auf dem Fußboden vor Ihnen, kleine Kügelchen dieses flüssigen Metalls mercury fließen.

Nun stellen Sie sich vor, wie eine zauberhafte kleine Göttin hereinstürmt, um zu sehen, was passiert ist. Verleihen Sie ihr Farbe, ziehen Sie ihr Kleidungsstücke an (wenn Sie wollen!), parfümieren Sie sie ein, formen Sie sie nach Ihren Wünschen. Wie wollen wir diese hübsche kleine Göttin nennen? Ja genau, Venus! Sie sehen, dass die Venus wie ein kleines Kind mit dem ausgelaufenen mercury spielt. Es gelingt ihr, eine der Quecksilberkugeln aufzuheben. Sie ist so über diese Silberkugel entzückt, dass sie sie in hohem Bogen zum Himmel hinauf wirft. Sie beobachten das ganze Geschehen.

Schließlich fällt das Kügelchen aus großer Höhe wieder herunter und landet in Nachbars Garten. Sie hören den Aufprall und spüren die Erschütterung. Auf welchem Planeten befindet sich der Garten? Auf der Erde.

Durch die Wucht des Aufpralls entsteht im Garten ein Krater. Sie sehen aus dem Fenster. Stellen Sie sich weiter vor, dass Ihr Nachbar, in dieser Fantasiereise ein kleiner (es handelt sich ja um einen kleinen Planeten), rotgesichtiger (es ist ein roter Planet), wütender, kriegerischer Kerl ist, der in der erhobenen und drohenden Hand einen Schokoladenriegel hält. Und wer ist dieser Kriegsgott? Mars. Er ist wütend, da in seinem Garten ein Krater entstanden ist.

Loci Technik Praxis Anwendung lernen

Gerade im Moment, wo er auf Sie losstürmen will, erscheint hinter Ihnen ein Riese. Der ist so groß und stark, dass der Boden, auf dem Sie stehen, bebt (und das müssen Sie fühlen). Sie sehen ihn vor sich. Er ist 30 Meter groß. Stellen Sie sich diesen Riesen genauso leibhaftig vor wie die Venus.

Er befiehlt Mars, sich zu beruhigen, was Mars auch sofort tut, weil dieser Riese, der ein riesiges geschwungenes „J“ auf der Stirn trägt, nicht nur Ihr Freund, sondern auch der König der Götter ist. Es handelt sich um den fünften Planet: Jupiter. Sie sehen, dass Jupiter ein T-Shirt trägt.

Auf dem T-Shirt steht das Wort „SUN“ in glänzenden goldenen Buchstaben. Jeder dieser riesigen Buchstaben steht als Anfangsbuchstabe für die nächsten drei großen Planeten des Sonnensystems: Saturn, Uranus, Neptun. Auf Jupiters Kopf sitzt laut und fröhlich bellend, weil er die Szene so umwerfend komisch findet, ein kleiner (weil der Planet so klein ist) Walt-Disney-Hund, genannt Pluto. (Da er im Vergleich zu Jupiter so klein ist, wurde ihm die Bezeichnung “Planet“ aberkannt.)

Lassen Sie die Fantasiegeschichte noch einmal vor Ihrem geistigen Auge ablaufen. Sie werden sehen, wie schwierig es ist, sie zu vergessen. (Quelle: Buzan Tony, „Power-Brain“ )

Die Ziffern – Symbol – Technik

Zahlen und Abläufe merken Sie sich mit dieser Technik ganz leicht. Zeichnen Sie als Erstes die vorgeschlagenen Symbole – siehe folgende Tabelle – auf ein Blatt Papier. Natürlich können Sie auch Ihre eigenen Symbole verwenden, vor allem dann, wenn Ihnen ein hier vorgestelltes Symbol Schwierigkeiten bereitet.

ZahlSymbol
1Kerze
2Schwan
3Melone
4Vierblättriges Kleeblatt
5Hand
6Rüssel des Elefanten
7Fahne
8Sanduhr
9Golfschläger, Tennisschläger
1010 Cent Stück

Nachdem Sie die Zeichnungen fertiggestellt haben, schließen Sie die Augen und gehen alle Symbole noch einmal durch. Versuchen Sie nun diese Symbole mit den Ziffern zu verknüpfen. Setzen Sie Ihre Fantasie ein! Schaffen Sie sich Eselsbrücken, welche die Ziffern mit dem Symbol in Verbindung bringen. Sie können dazu auch eine kleine Geschichte erfinden, in der die Ziffern mit den Symbolen in Zusammenhang gebracht werden.

Wie Kinder lernen

Sie leiden weder an einem schlechten Gedächtnis, noch haben sie Probleme, Neues zu verarbeiten. Innerhalb kurzer Zeit lernen sie die Muttersprache. Sie besitzen die Fähigkeit, Laute zu hören und zu imitieren. Sie speichern die Laute und erkennen auch die grammatikalische Struktur. Welche Leistung dahinter steckt, wird deutlich, wenn Sie ein Grammatikbuch aufschlagen.

wie kinder lernen

Das, was darin steht, lernt ein Kind mühelos. Am besten lernen Kinder, wenn Lernen mit Spielen verbunden wird. Denn alles, was Kinder sehen, hören und fühlen, wird schnell zum Spiel. Das Bauen eines Turms aus Bauklötzen, das Werfen eines Steins oder das Klettern auf einen Baum – sofort entsteht ein Spiel. Kinder üben unermüdlich, wenn sie etwas lernen wollen.

Das Spiel hat im Leben eines Kindes nichts mit Freizeitgestaltung zu tun. Das Spiel ist der „Hauptberuf“ eines Kindes.

Das Ziel der ersten Lebensjahre ist, das kindliche Gehirn zu vernetzen. Je umfassender das Gehirn dabei angesprochen wird, desto besser erfolgt das Lernen. Dieses Lernen wird spätestens mit Beginn der Schule durch ein systematisches Lernen ergänzt oder ersetzt, das an vorgegebene Lerninhalte gebunden ist.

Nicht immer gelingt es in der Schule, die hohe Lernmotivation der Schulanfänger aufrecht zu erhalten und auf das Lernen in der Schule zu übertragen. Nur im Stillsitzen kann man richtig lernen, sie sollen sich nur auf einen „Gegenstand“ konzentrieren , Vokabeln müssen auswendig gelernt werden – vielen solchen Vorurteilen begegnen Kinder, wenn sie in die Schule kommen.

Kinder lernen jedoch auf unterschiedliche Weise und die Kunst des Unterrichts besteht darin, den Kindern verschiedene Zugänge zu den Lerninhalten zu ermöglichen. Das heißt, dass Kinder die Möglichkeit haben sollen, mit allen Sinnen zu lernen. Geschichten, Bilder und eigene Erfahrungen schaffen daher einen geeigneteren Zugang zu einem Thema, als eine reine sach- und faktenorientierte Darstellung.

Was bedeutet das für das Lernen mit Kindern?

Spielen ist Lernen! Kinder brauchen keine neuen „Lernprogramme“ und schon gar nicht den Computer. Denn spielend gelernt wird nicht am Computer oder auf irgendwelchen Tischen, sondern dort, wo das Leben pulsiert: In Höhlen, auf Bäumen, in selbst gebauten Hütten, beim Sägen und Hämmern, beim Schätze entdecken, bei geheimnisvollen Erkundungen und in spannenden Projekten. Denn dort spielt sich das wirkliche Leben ab.

„Verpacken“ Sie Fakten in Geschichten, denn mit Geschichten erfahren die Kinder Sinn und Lebendigkeit. Lernen Sie mit Ihrem Kind nicht nur Begriffe und Definitionen. Übersetzen Sie alle Begriffe, so gut Sie können, in die Wirklichkeit. Erzählen Sie, was der Begriff in Wirklichkeit bedeutet, was er wirklich aussagt.

Kinder müssen ohne Angst lernen. Denn Angst macht krank, unkonzentriert, anpassungsbereit und schweigsam.

Lernen Buben und Mädchen anders?

Ja, sie lernen nachweislich anders. Nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung sollten Eltern und Lehrer die geschlechterspezifischen Merkmale unbedingt beachten. Bis zur achten Schwangerschaftswoche sieht das Gehirn bei jedem Embryo weiblich aus. Zu Beginn der achten Woche macht ein riesiger Testosteronschub (= Hormon der männlichen Keimdrüsen) das Gehirn männlich.

Lernunterschiede Mädchen Jungs Knaben

Dieses Hormon tötet manche Zellen in den Kommunikationszentren ab und lässt in den Sex- und Aggressionszentren mehr Zellen heranwachsen. Bleibt der Schub aus, geht die weibliche Entwicklung weiter. Im Gehirn des weiblichen Fötus entstehen mehr Verknüpfungen in den Zentren der Kommunikation und Gefühlsverarbeitung.

Schon bei der Reaktion in den ersten Tagen von Neugeborenen sind Unterschiede erkennbar. Mädchen halten einen viel längeren Blickkontakt und hören doppelt so lange aufmerksam Menschenstimmen zu, als Buben.

In Bezug auf die mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung gibt es nach dem heutigen Stand der Wissenschaft bis zur Pubertät keinen Unterschied zwischen Buben und Mädchen. In der Pubertät wird das weibliche Gehirn von Östrogen (= weibl. Sexualhormon) „überschwemmt“. Daher konzentrieren sich die Mädchen vorwiegend auf Gefühle und Kommunikation.

Bei der Untersuchung von männlichen und weiblichen Gehirnen hat man eine erstaunliche Vielzahl struktureller, chemischer, genetischer, hormoneller und funktioneller Unterschiede festgestellt. Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Stress und Konflikte, Reize (Hören, Sehen, Spüren) und Wahrnehmung. Die Gehirnzentren für Sprache und Hören enthalten bei Frauen elf Prozent mehr Neuronen als bei Männern.

Jeder Mensch erkennt an sich aber auch Aspekte, die dem anderen Geschlecht zugeordnet werden können. Es ist niemand 100 % weiblich oder 100 % männlich. Es gibt Frauen, die logisch denken können und Männer die „nörgeln“ (typisch „männliche“ und „weibliche“ Eigenschaften).

Entwicklungsphasen bei Buben und Mädchen

Wie verlaufen die Entwicklungsphasen bei Mädchen und Buben?

Manche Entwicklungen verlaufen bei Buben und Mädchen parallel (z.B. Stehen und Gehen lernen, die Entwicklung der Sprache), manche aber sehr unterschiedlich. Vera F. Birkenbihl unterscheidet folgende Entwicklungsphasen:

1. Fertigkeiten

Mädchen sind im Schnitt ca. 2 Jahre reifer in Bezug auf Fertigkeiten und Handlungs-Kompetenzen – nicht aber in Bezug auf Wissen – als ihre gleichaltrigen männlichen Schulkollegen. Deswegen sind sie nicht unintelligenter – sie lernen einfach „langsamer“ – man muss ihnen Zeit geben. Jedes Kind entwickelt seine Phasen individuell unterschiedlich. Gehen Sie davon aus, dass gleichaltrige Kinder einen unterschiedlichen Wissensstand, Techniken oder Fertigkeiten haben können.

2. Bewegung

Warum bewegen sich Buben mehr als Mädchen?

Entwicklungsphasen Lernen Mädchen Jungs Knaben

Der vermutete Grund für den vermehrten Bewegungsdrang von Buben ist:

  • Buben entwickeln fast die doppelte Muskelmasse (40% der Körpermasse) als Mädchen (24 %).
  • Notwendige Nervenbahnen für die Koordination der Muskelbewegung müssen dafür angelegt werden.
  • Buben brauchen viele Jahre, um ihren ganzen Muskelapparat aufzubauen. Nicht benutzte Muskeln schrumpfen (atrophieren)

Der Unterschied zu den Mädchen:

  • Mädchen werden neurologisch reifer geboren. Sie haben vorgeburtlich mehr Nervenbahnen für die Muskelarbeit angelegt.
  • Das „Muskeltraining“ bei Mädchen beginnt erst im Zeitabschnitt nach der Pubertät.
  • Das bedeutet aber auch, dass Mädchen mit mehr Muskelmasse auch mehr Bewegung brauchen („burschikose Mädchen“), als „mädchenhafte“ Mädchen.

Es ist für eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung sehr wichtig, dass die Kinder den nötigen Bewegungsdrang ausleben dürfen. Den Kindern fehlt nicht nur oft in den Schulen die Möglichkeit, sich zu bewegen. Ihre Freizeit verbringen sie vor Fernseher, Computer, Spielkonsolen. Besser ist es, in der Natur „Räuber und Gendarm“ zu spielen, als mit dem Zeigefinger auf der Computermaus einem „Räuber“ nachzujagen.

3. Grob und Feinmotorik

Hier gibt es eine „Überkreuzentwicklung“ zwischen Buben und Mädchen. Während Mädchen zuerst, d.h. vor der Pubertät, die Feinmotorik ausbilden, so entwickeln die Buben die Grobmotorik. Nach der Pubertät ist es umgekehrt: Die Mädchen sind grobmotorisch und die Buben feinmotorisch zugange.

4. Sprache und Handlung

Mädchen entwickeln zuerst die Phasen des Denken/Sprechens, danach die des Handelns. Prinzipiell wollen sie zuerst genaue Anleitungen und beginnen dann zu handeln. Sie lieben es, gemeinsam laut zu denken. Die Buben bevorzugen vor der Pubertät das Handeln. (z.B. Computer – zuerst wird ausprobiert). Buben haben den Experimentierdrang. Buben wollen sich gleich aktiv einbringen dürfen. Buben/Männer wollen immer und jederzeit ein forschendes Ent – deck- en, Mädchen sind aber genauso daran interessiert, wenn sie davor eine „Gebrauchsanweisung“ erhalten.

5. Befolgen von Regeln

Mädchen haben die Bereitschaft zuerst Anweisungen zu erhalten, bis sie wissen, was genau zu tun ist. Sie brauchen Anweisungen, kreativ etwas Neues auszuprobieren. Buben befolgen Anweisungen seltener, da sie ja von Anfang an herumprobieren wollen. Dadurch können Eltern und LehrerInnen vielleicht verstehen, dass ein unbedingtes Einhalten der Regel die Kreativität beeinträchtigen kann.

6. Selbstwertgefühl

Buben werden weit häufiger für ihre Leistung gelobt. Mädchen werden eher für ihr „Brav sein“ gelobt. Bei ihnen werden die Wesenszüge (Betragen, Fleiß, Hilfsbereitschaft, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit) hervorgehoben. Getadelt werden sie eher für mangelnde Leistung. Bei Buben ist dies umgekehrt. Begeht zum Beispiel ein Mädchen einen Lesefehler, so wird sofort (bis zu fünfmal schneller) eingegriffen („helfend“ korrigierend). Bei einem Buben geben Eltern/Lehrer bis zu 5 Mal mehr Zeit zu überlegen.

Welche Unterschiede kennen Sie? Wie verlaufen die Entwicklungsphasen bei Buben und Mädchen?

Lernen im Erwachsenenalter

Früher glaubte man, dass Erwachsene mit zunehmendem Alter immer weniger fähig sind, Neues zu lernen. Heute zeigt die Hirnforschung, dass die Fähigkeit, Neues zu lernen bis ins hohe Alter erhalten bleibt. Allerdings lernen ältere Menschen anders als Kinder.

Erwachsene lernen in der Regel nicht schlechter, sondern anders. Ältere Menschen haben bereits ein umfangreiches Wissen erworben und lernen Neues dann besonders gut, wenn sie an Bekanntem anknüpfen können.

Wie Erwachsene lernen

Etwas Neues lernen, bedeutet für Ältere aber auch oft umlernen. Das ist oft schwieriger, als etwas neu zu lernen.

Erwachsene lernen nicht schlechter, aber anders. Was bedeutet nun „anders“?

  • Ältere lernen bei sinnlosem, bzw. ihnen sinnlos erscheinendem Lehrmaterial schlechter. Bei sinnvollem Material – bei Einsicht in die Zusammenhänge – sind ihre Leistungen mit denen Jüngerer durchaus vergleichbar.
  • Ältere brauchen teilweise mehr Zeit beim Lösen einer Aufgabe, aber sie lösen Aufgaben nicht schlechter.
  • Meist verfügen sie über weniger Lerntechniken als Jüngere.
  • Wenn das Lernmaterial übersichtlich und gut strukturiert ist, lernen sie besser.
  • Besonders wichtig ist, dass sich Erwachsene selbst etwas aktiv erarbeiten und nicht einfach etwas vorgesetzt bekommen.
  • Schlechtere „Lernleistungen“ sind oft weniger ein Zeichen nachlassender Lernfähigkeit, sondern ein Zeichen von Unsicherheit, von mangelndem Zutrauen zu sich selbst.

Welche Fähigkeiten werden vom Alter beeinflusst?

Fähigkeiten, die sich im Erwachsenenalter verringern sind z.B. Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung und Sinnesleistungen (Sehen, Hören). Andere Fähigkeiten werden vom Alter kaum beeinflusst z.B. Wissensumfang, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit, Lernfähigkeit und geistige Beweglichkeit. Es gibt natürlich auch Fähigkeiten, die mit dem Alter wachsen. Das sind: Erfassen von Sinnzusammenhängen, Selbständigkeit, Urteilsfähigkeit, Fähigkeit mit Menschen umzugehen und Kontakt- und Konfliktlösungsfähigkeit.

Was bedeutet das für das Lernen im Erwachsenenalter?

  • Lernen Sie nicht nur Fakten – bereiten Sie Lernmaterial sinnvoll auf – lernen Sie in Zusammenhängen.
  • Nehmen Sie sich Zeit – finden Sie Ihr eigenes Lerntempo.
  • Nutzen Sie Lerntechniken – entwickeln Sie Ihre eigenen Lernstrategien. Eine erfolgreiche Lerntechnik hilft Ihnen, den Lernstoff vollständig und nachhaltig zu verstehen und ihn im Langzeitgedächtnis zu behalten.
  • Strukturieren Sie Ihr Lernmaterial.
  • Arbeiten Sie selbst an den Themen, eignen Sie sich selbst aktiv Wissen an. Lernen Sie dabei das eigene Lernen zu lernen.

Was ist die Konsequenz daraus? Jeder ist für sein Gehirn selbst verantwortlich. Jeder ist das, was er aus seinem Gehirn macht.

Damit sind wir mit unserem Kurs zum Ende gekommen. Wir hoffen, dass wir Ihnen neue Anregungen gegeben haben, wie Sie die Vermittlung von Wissen – oder auch das eigene Lernen – optimieren können.

Viel Erfolg!

Über die Autoren …

Gerhild Löchli arbeitet seit 22 Jahren als Hauptschullehrerin in den Fächern Mathematik, Geometrisches Zeichnen und Sport. Dabei hatte die Autorin reichlich Gelegenheit sich mit dem Thema „Lernen“ auseinanderzusetzen. Sie bildete sich weiter zur Lernberaterin, um mehr „Handwerkszeug“ für die Schule und ihre eigenen Kinder zu erhalten.

Im Jahre 2006 machte sie zusätzlich eine Ausbildung zum Coach für Begabtenförderung. Mit diesem Wissen konnte sie in der Praxis viele Erfolge in der Arbeit mit Schülern, Studenten, Personen in Aus- und Weiterbildung und Senioren verzeichnen. In Zusammenarbeit mit Peter Schipek erweiterte sie ihr Tätigkeitsfeld auch auf Online-Kurse und Live-Vorträge.

Peter Schipek arbeitete über 25 Jahre als Autor im Marketing und Verkauf eines int. Mineralölunternehmens. Anschließend war er als Trainer und Berater im Bereich der Erwachsenenbildung tätig.

Seit etwa 20 Jahren beschäftigt sich Peter Schipek mit dem Thema „Gehirn & Lernen“, entwickelte Projekte für das „Lernen der Zukunft“ und Konzepte für innovative Formen der Weiterbildung. Er konzipierte und moderierte u.a. das Projekt „Flow macht Schule“ der HBLA Klagenfurt.

Mehr zum Thema finden Sie auf seiner Website – bei speziellen Fragen wenden Sie sich per E-Mail an den Autor.

Peter Schipek - Gerhild Löchli